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Aktionstag „Sucht betrifft uns alle – Hilfe auch!“

Crack und Kokain am häufigsten konsumierte Drogen - bedenkliche Entwicklungen bei synthetischen Opioiden

Am 13. November nehmen Hunderte Drogenberatungsstellen in Deutschland am jährlichen Aktionstag der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen teil. Die Organisation macht sich nicht nur Sorgen um die breitflächige Finanzierung von kommunalen Beratungsstellen, sondern auch um den Vormarsch von Fentanyl und Crack.

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Das Bundeskriminalamt warnt im Rahmen seiner Social-Media-Kampagne #gefährlichbunt vor synthetischen Drogen.

Foto: Bundeskriminalamt/dpa

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Lesedauer: 11 Min.


In Kürze:

  • 13. November: Bundesweiter Aktionstag in Suchtberatungsstellen
  • Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen warnt vor Gefahren durch Crack, Kokain und Fentanyl.
  • Über 60 Prozent der öffentlich geförderten Beratungsstellen sind unterfinanziert.

 
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) sieht zunehmend Probleme mit Fentanyl und Crack. Beide Drogen besitzen eine besonders starke Wirkungskraft und ein extrem hohes Abhängigkeitspotenzial.
„Die Substanzen bergen für Konsumierende erhebliche Gesundheitsgefahren. Oft geht der Konsum mit einer rapiden und dramatischen Verschlechterung der sozialen Situation Betroffener einher“, warnt die in Hamm ansässige DHS in ihrer Pressemitteilung zum Aktionstag. Nach den Worten von DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel sind Crack beziehungsweise Kokain derzeit die am häufigsten konsumierten illegalen Drogen in Deutschland.
Bei Crack handelt es sich um eine seit Jahrzehnten bekannte Droge mit kurzer Wirkungsdauer, die in der Regel geraucht wird. Der Stoff erzielt seinen Effekt hauptsächlich durch das untergemischte Kokain.

Crack – ein Phänomen der offenen Drogenszene

Gefragt nach aktuellen Zahlen, verwies die DHS auf die Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA) 2024 (PDF). Auf Deutschland hochgerechnet haben demnach rund 566.000 Personen allein in der Altersgruppe zwischen 18 und 64 Jahren im Laufe des Jahres 2023 Crack oder Kokain genommen.
Laut ESA 2024 haben 2023 insgesamt 1,9 Millionen Menschen wenigstens einmal eine verbotene Substanz konsumiert. Zählt man das inzwischen legalisierte Cannabis dazu, gab es 5,77 Millionen Rauschmittelkonsumenten.
Esther Neumeier, Diplom-Psychologin am Institut für Therapieforschung (IFT) in München, bestätigte auf Anfrage der Epoch Times, dass der Crackkonsum in offenen Drogenszenen in den vergangenen Jahren „deutlich angestiegen“ sei, nicht aber in der Allgemeinbevölkerung. Sie verwies auf einen Artikel, der 2023 im Fachblatt „rausch“, der Wiener Zeitschrift für Suchttherapie (PDF), erschien. Demnach gab es schon damals einen steigenden Crackverbrauch, vorwiegend „in größeren Städten im Norden, Westen und Süden von Deutschland“.

Fentanyl – ein schwer erkennbares synthetisches Opioid

Das Opioid Fentanyl kann einfacher und damit billiger als Heroin synthetisch hergestellt werden, entfaltet aber eine bis zu 50-fach stärkere Wirkung. Oft als Bestandteil gefälschter Tabletten gehandelt, tauchte die Substanz im großen Stil erst vor wenigen Jahren in den Vereinigten Staaten auf. Seither avancierte sie dort zur Todesursache Nummer eins unter den 18- bis 45-Jährigen. Schon wenige Milligramm sind tödlich. Der Stoff hat auch Europa erreicht.
Wie viele Menschen in Deutschland 2023 speziell fentanylhaltige Produkte schluckten, rauchten oder spritzten, geht aus dem ESA 2024 nicht hervor. Die Studie erwähnt lediglich 410.000 Menschen, die 2023 Heroin oder ein anderes Opioid konsumierten.
Im Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2024 (PDF) des Bundeskriminalamts (BKA) heißt es, dass „sich die Lage im Bereich der Synthetischen Opioide in den letzten Jahren“ deutschland- wie europaweit verschärft habe. „Im vergangenen Jahr wurden erneut Mischungen aus Heroin und Fentanyl sowie erstmalig auch Mischungen aus Heroin und Nitazenen in Deutschland festgestellt.“
Bei den fentanylbedingten Vergiftungen habe es einen Zuwachs von 36 Prozent gegeben, „wobei die tatsächliche Zahl der Vergiftungen durch NPS [Neue psychoaktive Stoffe], synthetische Opioide und Fentanyl höher liegen könnte“, heißt es im Bundeslagebild. Genaueres könne man nicht sagen, weil „die Substanzen nur schwer erkennbar bzw. feststellbar“ seien und nicht immer Obduktionen oder toxikologische Gutachten durchgeführt würden. Das BKA geht von „einem größeren Dunkelfeld“ aus.

IFT: „Bedenkliche Entwicklungen im Bereich synthetischer Opioide“

Auch die IFT-Psychologin Neumeier bestätigte gegenüber Epoch Times insgesamt „bedenkliche Entwicklungen im Bereich synthetischer Opioide, von denen Fentanyl eins ist“. In zwei Städten habe man erst kürzlich Heroin gefunden, das mit Fentanyl versetzt worden sei. Der Wirkstoffgehalt von Heroin im Großhandel sei nach Daten des BKA deutschlandweit hingegen drastisch abgesunken.
Zum Sachstand insgesamt verwies sie auf ein IFT-Papier vom Januar 2025 (PDF). Daraus geht hervor, dass Fentanyl hauptsächlich mit „bereits zuvor hochriskant konsumierenden Personen in Verbindung gebracht“ wird. Ein Anstieg des Konsums sowie eine „recht hohe Verfügbarkeit“ seien primär im Osten Deutschlands festgestellt worden.
Im Jahr 2023 habe man in 72 Fällen Fentanyl als Todesursache eines Drogenkonsumenten ausgemacht, also gut 3 Prozent aller 2.227 Todesfälle, die damals im Kontext des Konsums illegaler Substanzen registriert worden seien. Zum Vergleich: Heroin brachte im selben Jahr deutschlandweit 712 Menschen um, 654-mal waren Substitutionsmittel im Spiel, bei 184 Todesfällen opioidhaltige Medikamente.
„Im Bereich der Überwachung bestehen große Lücken“, heißt es im IFT-Sachstandsbericht vom Januar 2025.
„Der Mangel an toxikologischen Daten macht eine quantitative Einschätzung der Verbreitung synthetischer Opioide aktuell unmöglich.“
Das „nächste Update“ zur Lage wird nach Angaben Neumeiers Anfang 2026 erscheinen.

Quellen: Niederlande, China und Amerika

„Der illegale Handel von Fentanyl findet, nach aktuellem Kenntnisstand, überwiegend im Darknet statt“, erklärte das BKA auf Anfrage der Epoch Times. Im Kontext eines hohen Schmuggelpotenzials bei Opioiden wie Oxycodon und Fentanyl werde häufig „der Postversand genutzt, da diese in relativ kleinen Mengen in Briefsendungen verschickt werden können“. Auch Einbruchsdelikte in Apotheken, Krankenhäusern oder Pflegeheimen spielten eine Rolle. Dabei würden insbesondere Fentanylpflaster entwendet, es würde aber auch mit gefälschten Arzneimittelrezepten hantiert.
Nach dem Bundeslagebild 2024 ist Deutschland „weiterhin ein bedeutender Transitstaat für Chemikalien, die zur Rauschgiftproduktion verwendet werden können“. Die „notwendigen Kernchemikalien“ würden schon seit Jahren hauptsächlich „in Form von ‚Designer-Grundstoffen‘ aus China bezogen und über europäische See- und Flughäfen falsch deklariert eingeschmuggelt“.
Die Herstellung synthetischer Drogen erfolge „weiterhin vornehmlich in professionellen Großlaboren in den Niederlanden“. Auch in Deutschland existierten solche illegalen Fabriken. Während man 2024 deutschlandweit aber lediglich 37 Produktionsstätten für synthetische Drogen ausgehoben habe, hätten die Behörden in den Niederlanden 167 illegale Labore sichergestellt. In beiden Fällen seien die Zahlen gestiegen.
Nach dem Bundeslagebild ist auch der „Einfuhrschmuggel von Betäubungsmitteln auf dem Seeweg nach Deutschland“ weiter von „sehr hoher Bedeutung“. Dies bestätigten „Großsicherstellungen von Kokainlieferungen aus Südamerika sowie Cannabislieferungen aus Nordamerika insbesondere im Hamburger Hafen“.

Trump im Kampf gegen Drogenkriminalität

In den USA ist mit den bereits erwähnten Nitazenen bereits das nächste, noch stärkere Gift dabei, Fentanyl den Rang abzulaufen. In der EU spielt es noch eine untergeordnete Rolle in der Drogenszene. Nach dem IFT-Sachstandsbericht waren 2023 mindestens 150 drogenbedingte Todesfälle in der EU auf Nitazene zurückzuführen. Großbritannien aber habe im selben Jahr bereits mindestens 179 Nitazentote zu beklagen gehabt.
US-Präsident Donald Trump hatte der massenhaften Drogenabhängigkeit und der damit verbundenen Kriminalität schon im Wahlkampf die Stirn geboten. Kurz nach Amtsantritt begann er, sowohl mit einer restriktiven Handelspolitik als auch mit Waffengewalt Druck auf die mutmaßlichen Hersteller- und Transitländer beziehungsweise Händler zu machen. Insbesondere China, Venezuela, Kolumbien, Mexiko und Kanada mussten sich mit hohen Zöllen auf ihre Warenexporte in die USA auseinandersetzen.

„Sucht betrifft uns alle – Hilfe auch!“

Die DHS hofft, dass ihr Aktionstag dieses Jahr „an möglichst vielen Orten gleichzeitig“ stattfinden wird, um das vielfältige, kostenlose und auf Wunsch auch anonyme Leistungsangebot der DHS, ihrer Landeszentralen und der kommunalen Suchtberatungsstellen bekannter zu machen. Der Schwerpunkt liegt dieses Jahr auf dem Motto „Sucht betrifft uns alle – Hilfe auch!“.
„Suchtberatungsstellen beraten, behandeln und begleiten, unterstützen und stabilisieren Abhängigkeitskranke in Krisen sowie in dauerhaft herausfordernden Lebenssituationen“, heißt es dazu in der Pressemitteilung. „Damit bieten sie vor Ort eine unverzichtbare Hilfe für suchtgefährdete und abhängigkeitskranke Menschen und ihre Angehörigen.“
Der Weg zu einer Anlaufstelle sei mittlerweile allerdings „häufig weit“, was den „niedrigschwelligen Zugang zu Hilfe“ erschwere. Nach Angaben einer DHS-Sprecherin listet das DHS-Suchthilfeverzeichnis rund 2.000 Einrichtungen auf.
Laut DHS leiden in Deutschland insgesamt etwa 10 Millionen Menschen „quer durch alle Altersgruppen und Schichten“ unter einer Abhängigkeitserkrankung. Auch Spiel- oder Handysucht gehören dazu. „Wo Hilfen aufgrund von Mittelkürzungen zurückgefahren werden, drohen Betroffene durchs Raster zu fallen“, mahnt die DHS.

2024: Bis zu drei Vierteln der Beratungseinrichtungen nicht ausreichend finanziert

Ihre Organisation weise schon seit Jahren auf das Problem der Unterfinanzierung hin, erklärte DHS-Geschäftsführerin Rummel. Viele Beratungsstellen hätten ihren Betrieb deswegen bereits eingestellt.
Anlässlich des Aktionstags forderte sie erneut ein verstärktes Engagement der öffentlichen Hand. Wenn die Leistungen der Anlaufstellen vernachlässigt würden oder ganz wegfielen, werde dies das Land sehr viel mehr kosten.
Die Grafik zeigt das Ergebnis einer Umfrage unter 534 Suchtberatungsstellen zur Sicherheit ihrer Finanzierung mit öffentlichen Mitteln, Stand Frühjahr 2024. Foto: Bildschirmfoto/DHS (PDF)

Die Grafik zeigt das Ergebnis einer Umfrage unter 534 Suchtberatungsstellen zur Sicherheit ihrer Finanzierung mit öffentlichen Mitteln, Stand Frühjahr 2024.

Foto: Bildschirmfoto/DHS (PDF)

Eine im Frühjahr 2024 erstellte E-Mail-Umfrage der DHS ergab, dass bei 61,4 Prozent jener 534 öffentlich geförderten Einrichtungen, die vollständig geantwortet hatten, ihr Jahresbedarf an Mitteln definitiv nicht gedeckt sei. Weitere 15,7 Prozent hätten angegeben, dass sie ebenfalls davon ausgingen, die Frage aber noch nicht abschließend geklärt sei.
Nur eine Minderheit der Einrichtungen (15,2 Prozent) habe eine gesicherte Finanzierung vermeldet. 7,7 Prozent hätten geantwortet, dass sie mit einer entsprechenden Klärung noch im Laufe des Jahres rechneten. Konkrete Euro-Beträge zur jeweiligen Finanzierungslücke konnte Rummel auf Nachfrage der Epoch Times nicht nennen:
„Es gibt hier keine Übersicht aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungsmodelle in Ländern und Kommunen. Die Finanzierung sollte auskömmlich und dynamisiert sein, um den kommenden Herausforderungen begegnen zu können und Hilfen für Betroffene weiterhin in ausreichendem Umfang anbieten zu können.“
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.

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